Candidatus Heimdallarchaeota“, oder einfach „Heimdallarchaeota“ ist ein 2017 vorgeschlagenes Phylum innerhalb des Superphylums der Asgard-Archaeen (als Klasse auch „Heimdallarchaeia“ genannt). Der Vorschlag basiert auf Metagenomanalysen von Proben, die aus marinen Sedimenten gewonnen wurden. Die „Heimdallarchaeota“ sind von großer Bedeutung für die Evolution der Eukaryoten, da sie nach phylogenetischen Analysen zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung unter den Archaeen die den Eukaryoten nächstgelegene Gruppe waren. Dies bedeutet, dass offenbar ein mit „Heimdallarchaeota“ verwandtes Archaeon an der Entstehung der ersten eukaryotischen Zelle beteiligt sein könnte.

Die untersuchten Proben wurden von zwei Standorten – beim Schwarzen Raucher Lokis Schloss (englisch Loki's castle, auf dem Mittelozeanischen Rücken zwischen Grönland und Spitzbergen, 73,55° N, 8,15° O) und der Aarhus Bugt (deutsch Aarhusbucht, englisch Aarhus Bay, Ostjütland) – aus einer Reihe von sieben verschiedenen geographischen Standorten gewonnen. Diese wurden einer umfassenden Analyse archaealer Genomsequenzen (Contigs) unterzogen. Die Häufigkeit dieser Art von Archaeen war dort allerdings viel geringer als die der verwandten Lokiarchaeota. Die Analysen ergaben, dass die Mitglieder dieser Klade sich ausreichend von den übrigen Archaeen unterscheiden, um ein neues Phylum der Supergruppe Asgard innerhalb (Proteoarchaeota) zu bilden, zusammen mit den Lokiarchaeota und anderen. Die Asgard-Archaeen besitzen viele Gene, die für zuvor nur bei Eukaryoten gefundene Proteine kodieren.

Die Metagenomanalysen der „Heimdallarchaeota“ lassen einen Stoffwechsel mit aeroben Wegen vermuten, der ihnen wahrscheinlich eine mikrooxygene Nische (mit sehr geringer Sauerstoffkonzentration) zuweist, einzigartig für Archaeen.

Die ursprüngliche Bezeichnung dieser Archaeen-Gruppe ist „Uncultured Archaeal Phylum 3 (UAP3/AAG)“ Parks et al. 2017 mit „Ancient Archaeal Group (AAG)“ Takai & Horikoshi 1999. Diese provisorisch bezeichnete Gruppe beinhaltet (ursprünglich) nur eine vorgeschlagene Spezies „Archaeon UBA460“. Zwar ist diese Spezies in der NCBI-Taxonomie keiner bestimmten Archaeengruppe zugeordnet (Stand 3. Januar 2023), in der Genome Taxonomy Database (GTDB) aber trägt sie die Bezeichnung UBA460 sp002505645 und ist den Heimdallarchaeia (syn. Heimdallarchaeota) zugeordnet. „Uncultured Archaeal Phylum 3 (UAP3/AAG)“ ist daher die frühere provisorische Bezeichnung für die Heimdallarchaeen.

Etymologie

Der Begriff „Heimdallarchaeota“ (bzw. „Heimdallarcheia“) leitet sich von der mythologischen Figur Heimdall ab, in Analogie zu den zuvor gefundenen nahestehenden Phyla Lokiarchaeota und „Thorarchaeota“. Diese Namen (sowie der des diese Gruppen umfassenden Superphylums Asgard) sind inspiriert von der Nordischen Mythologie.

Systematik

Die Genome Taxonomy Database (GTDB) betrachtet die Hemdallarchaeen als eine Klasse Heimdallarcheia, in der Taxonomie des National Center for Biotechnology Information (NCBI) und in der List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN) gelten sie als Phylum Heimdallarchaeota. Die GTDB hat die NCBI-Phyla Hodarchaeota und Kariarchaeota in die Heimdallarchaeen integriert. Die folgende (unvollständige) Mitgliedsliste basiert in erster Linie auf der GTDB und in zweiter auf dia NCBI-Taxonomie (Stand 2. Juni 2022):

Klasse Heimdallarcheia (GTDB) syn. Phylum Candidatus Heimdallarchaeota Zaremba-Niedzwiedzka et al. 2017

  • Ordnung Hodarchaeales (GTDB) bzw. Ca. Hodarchaeales Liu et al. 2020 (NCBI)
    • Familie Hodarchaeaceae (GTDB) bzw. Ca. Hodarchaeaceae Liu et al. 2020 (NCBI)
      • Gattung Hodarchaeum (GTDB) syn. Ca. Hodarchaeum Liu et al. 2020 (NCBI)
        • Spezies Hodarchaeum mangrovi (GTDB) syn. Ca. Hodarchaeum" Liu et al. 2020 (NCBI)
        • Spezies Hodarchaeum sp003144275 (GTDB) syn. Ca. Heimdallarchaeota archaeon B3_Heim (NCBI)
        • Spezies Hodarchaeum sp011364965 (GTDB) mit Ca. Heimdallarchaeota archaeon isolate SZ_4_bin2.246 (NCBI)
        • Spezies Hodarchaeum sp016839625 (GTDB) mit Ca. Hodarchaeota archaeon isolate YT5_056 (NCBI)
        • Spezies Hodarchaeum sp016839665 (GTDB) mit Ca. Hodarchaeota archaeon isolate YT5_036 (NCBI)
        • Spezies Hodarchaeum sp016839785
        • Spezies Hodarchaeum sp016839815
        • Spezies Hodarchaeum sp016840035
        • Spezies Hodarchaeum sp016840285
        • Spezies Hodarchaeum sp016840305
        • Spezies Hodarchaeum sp019057635
    • Familie LC-3
      • Gattung LC-3
        • Spezies LC-3 sp001940645 (GTDB) syn. Ca. Heimdallarchaeota archaeon LC_3 (NCBI)
    • Familie S146_22
      • Gattung S146_22
        • Spezies S146-22 sp015520535
    • Familie YT1_039
      • Gattung YT1_039
        • Spezies YT1-039 sp016840025
    • Familie YT1_057
      • Gattung YT1_057
        • Spezies YT1-057 sp016839955
  • Ordnung JABLTI01 [ord.] (GTDB) syn. „Gerdarchaeales“ (NCBI)
    • Familie JABLTI01 [fam.] (GTDB)
      • Gattung JABLTI01 (GTDB: 8 Spezies)
        • Spezies JABLTI01 sp013166835 (GTDB) syn. Asgard group archaeon isolate HMA_bin2.83 (NCBI, Genbank-Zugriffsnr. JABLTI010000000)
        • Spezies JABLTI01 sp016839405 (GTDB) syn. Ca. Gerdarchaeota archaeon, MAG FT2_001
        • Spezies JABLTI01 sp016840905 (GTDB) syn. Ca. Gerdarchaeota archaeon, MAG MP5_2_2012
        • Spezies JABLTI01 sp016840945 (GTDB) syn. Ca. Gerdarchaeota archaeon, MAG MP5_1_791
  • Ordnung UBA460 (GTDB) syn. Ca. Kariarchaeales Liu et al. 2020 (NCBI) oder Heimdallarchaeales (Eme et al. 2023)
    • Familie Kariarchaeaceae (GTDB) bzw. Ca. Kariarchaeaceae Liu et al. 2020 (NCBI)
      • Gattung Kariarchaeum (GTDB) bzw. Ca. Kariarchaeum Liu et al. 2020 (NCBI)
        • Spezies Kariarchaeum pelagius (GTDB) bzw. Ca. Kariarchaeum pelagius Liu et al. 2020 (NCBI) mit Ca. Heimdallarchaeota archaeon isolate RS678, Ca. Heimdallarchaeota archaeon isolate HW_metabat.28 und Ca. Heimdallarchaeota archaeon isolate PL36323bin_28 (NCBI)
        • Spezies Kariarchaeum sp016839545 (GTDB) mit Ca. Kariarchaeota archaeon isolate FT_008
      • Gattung LC-2
        • Spezies LC-2 sp001940725 (GTDB) syn. Ca. Heimdallarchaeota archaeon LC_2 (NCBI)
      • Gattung S139-21
        • Spezies S139-21 sp015522385
      • Gattung WAKA01
        • Spezies WAKA01 sp015523565
    • Familie UBA460 (GTDB) syn. Heimdallarchaeaceae (Eme et al. 2023)
      • Gattung 18H4-34
        • Spezies 18H4-34 sp019057815
      • Gattung UBA460 (8 Spezies)
        • Spezies UBA460 sp001940755 (GTDB) syn. Ca. Heimdallarchaeota archaeon AB_125 (NCBI)
      • Gattung Ca. Heimdallarchaeum Wu et al. 2022 (NCBI, Eme et al. 2023)
        • Spezies Ca. Heimdallarchaeum aukensis Wu et al. 2022 inkl. Ca. Heimdallarchaeota archaeon PM71 (NCBI, Eme et al. 2023)
        • Spezies Ca. Heimdallarchaeum endolithica Wu et al. 2022 inkl. Ca. Heimdallarchaeota archaeon PR6 (NCBI, Eme et al. 2023)
  • Ordnung Ca. Njordarchaeales Xie et al. 2022 (NCBI) (nicht in GTDB)
    • Familie Ca. Njordarchaeaceae Xie et al. 2022 (NCBI)
      • Gattung Ca. Njordarchaeum Xie et al. 2022 (NCBI)
        • Spezies Ca. Njordarchaeum guaymaensis Xie et al. 2022, Isolat GB_154 (NCBI)
    • Njordarchaeales ohne nähere Zuordnung
      • Spezies Ca. Njordarchaeota archaeon Isolat GB_136 (NCBI)
  • Heimdallarchaeen ohne nähere Zuordnung
  • Spezies Ca. Heimdallarchaeota archaeon CR_11 (NCBI)

Anmerkungen:

  • Laura Eme, Daniel Tamarit et al. (2023) sehen die Familie Heimdallarchaeaceae mit der Gattung Ca. Heimdallarchaeum als Synonym der GTDB-Familie UBA460; zusammen mit der Familie Kariarchaeaceae sehen die Autoren diese als Mitglied der Ordnung Heimdallarchaeales, die ihrerseits ein Synonym zur GTDB-Ordnung UBA460 (und der NCBI-Ordnung Kariarchaeales) ist.
  • Die bei diesen Autoren und in der GTDB als Ordnung aufgefassten Gerdarchaeales sind in der NCBI-Taxonomie wie ursprünglich als Phylum Gerdarchaeota klassifiziert.
  • Die Ordnung Ca. Njordarchaeales wurde ursprünglich als Phylum Njordarchaeota beschrieben. In der GTDB und bei Laura Eme, Daniel Tamarit et al. (2023) ist die Ordnung Mitglied der Klasse Heimdallarcheia.
  • Die Ordnung Hodarchaeales wurde von diesen Autoren (unter den 2023 bekannten Archaeen) als Schwesterklade der Eukaryoten (komplex-zellulären Organismen: Tiere, Pilze, Pflanzen, Grünalgen, Protozoen, …) identifiziert.

Phylogenetischer Baum nach Laura Eme, Daniel Tamarit et al. (2023):

Eine frühere Studie aus dem Jahr 2021 hatte anstelle der Hodarchaeales noch die Njordarchaeales als nächste Verwandten der Eukaryoten gesehen.

Als Kandidaten für die Proto-Mitochondrien unter den α-Proteobacteria wurden früher die Rickettsiales gehandelt, neuerdings (seit 2023) werden die zwischenzeitlich gefundenen und mit den Rickettsiales weitläufig verwandten Iodidimonadales favorisiert.

Weblinks

  • GTDB: Heimdallarchaeia (class).
  • NCBI: "Candidatus Heimdallarchaeota" Zaremba-Niedzwiedzka et al. 2017 (phylum); graphisch: Candidatus Heimdallarchaeota, auf: Lifemap, NCBI Version.
  • LPSN: Phylum "Candidatus Heimdallarchaeota" (Phylum).
  • OneZoom: Candidatus Heimdallarchaeota.

Anmerkungen

Einzelnachweise


Heimdall I Mythologie, Figural, Heimdall, Zeichnungen von Jens_N_H

Kingdom Archaea Kingdoms of life

Archaeen als Vorfahren aller Eukaryoten? Entdeckung in der Tiefsee

Wer war der Gott Heimdall ? Die Wikinger Taverne

Heimdall (Heimdallr, Heimdalr oder Heimdali) (Normikon)