Mara Bar Serapion (= Mara, Sohn des Serapion; Lebensdaten unbekannt) war der Unterzeichner und vermutete Autor eines Briefs an seinen Sohn, der im syrischen Dialekt des Aramäischen verfasst wurde. Aufgrund inhaltlicher und stilistischer Merkmale des Briefs wird vermutet, dass er ein syrischer Stoiker war. Außer den Angaben innerhalb des Dokuments ist über den Autor nichts bekannt. Es ist als Kopie aus dem 7. Jahrhundert überliefert; die Abfassung des Originals wird in der Regel auf eine Zeit zwischen 70 und 165 datiert. Die Historische Jesusforschung sieht darin eine frühe außerchristliche Quelle zu Jesus von Nazaret; ihre Unabhängigkeit von den Evangelien konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.
Inhalt
Der Autor stellt sich als Gefangenen der Römer dar, der mit anderen Gefangenen aus Samosata deportiert worden sei und nun seine baldige Hinrichtung erwartet. Deshalb will er seinem Sohn, der ebenfalls Serapion heißt und weit entfernt einen privaten Schulunterricht in hellenistischer Bildung genießt, Lebensratschläge in Form eines Vermächtnisses weitergeben. Ihr zentrales Thema ist die Weisheit: Sie sei das einzige, durch das Menschen ewig weiterleben könnten.
Als Beispiele dafür führt der Autor drei gewaltsame Tötungen von vorbildlichen Weisen der Antike auf:
Meist wird angenommen, dass Mara mit dem „weisen König“, der ein „neues Gesetz“ gegeben habe und von den Juden hingerichtet worden sei, Jesus von Nazaret meinte.
Datierung
Die genannte Deportation des Autors aus Samosata und die Verschüttung von „Samos“ innerhalb von einer Stunde wurden seit Heinrich Ewald (1832) oft wie folgt gedeutet: Mara stamme aus dieser Stadt und habe deren Eroberung durch die Römer (um 72) miterlebt, von der auch der jüdische Historiker Flavius Josephus in seinem Hauptwerk Bellum Iudaicum berichtete. Demnach kann der Brief nicht vor 70 entstanden sein; er wird dann oft auf 72 bis 75 datiert.
Das Strafschicksal der Juden beziehen Forscher auf die Erstürmung des Jerusalemer Tempels im Jahr 70 und/oder die Folgen des Bar-Kochba-Aufstands (132–135): Damals verboten die Römer den unterlegenen Juden die Ansiedlung in Palästina, so dass diese sich im Römischen Reich zerstreuten. Eine Abfassung nach 165 n. Chr. gilt als unwahrscheinlich.
Das Britische Museum besitzt die einzige Abschrift dieses Briefes aus dem 7. Jahrhundert. Diese war Bestandteil einer Handschrift aus einem syrischen Kloster in der Wüste von Nitria, welche 1843 über den englischen Koptologen Henry Tattam in den Besitz des Britischen Museums gelangte. Eine erste Veröffentlichung in englischer Übersetzung erfolgte 1855 durch William Cureton.
Der Brief als Rhetorikübung
Nach einer Mindermeinung soll es sich um keinen authentischen, sondern einen fiktiven Brief im Rahmen einer klassischen Chrie-Rhetorikübung handeln. Dies wird neben dem Aufbau vor allem mit dem Ende des Briefes begründet:
Der unvermittelt in die 3. Person wechselnde Briefschluss sei mit einem authentischen Brief nicht vereinbar.
Textausgaben
- Gutenberg-Projekt: A Letter of Mara, Son of Serapion (Memento vom 21. April 2013 im Webarchiv archive.today)
- The Mara bar Sarapion Project. Utrecht 2008
Literatur
- Henri Hugonnard-Roche: Mara bar Sérapion. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques. Band 7, CNRS Éditions, Paris 2018, ISBN 978-2-271-09024-9, S. 589–593
- Robert E. Van Voorst: Jesus outside the New Testament: An Introduction to the Ancient Evidence. Eerdmans, Grand Rapids 2000, ISBN 0-8028-4368-9, S. 53–57.
Einzelnachweise



